8.8.2022 – BGH: Kein Vorfahrtsrecht bei beidseitiger Fahrbahnverengung

BGH vom 8.3.2022, Az. VI ZR 47/21

Zwei Fahrzeuge befuhren nebeneinander eine zweispurige innerstädtische Straße. Nach einer Ampel befand sich das Gefahrenzeichen 120 - „beidseitige Fahrbahnverengung“.  Der auf der linken Spur fahrende Lkw zog nach links und übersah ein Fahrzeug, welches sich auf der rechten Spur direkt neben dem Lkw fuhr. Es kam zur Kollision. Die Fahrerin in der rechten Spur verlangte vollen Schadenersatz, da der Unfall für sie unabwendbar gewesen sei.

Die Versicherung lehnte ab, die Sache ging vor Gericht.

Der BGH gab der Versicherung Recht.

Die Richter wiesen darauf hin, dass bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung allein das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gilt. Auch wenn zwei Fahrzeuge gleichzeitig die Engstelle erreichen, ergibt sich kein Vorrang des rechts fahrenden Fahrzeugs. Die in der Verengung liegende Gefahr führe zu einer erhöhten Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht auf beiden Fahrstreifen.

Im Falle des gleichzeitigen Eintreffens müsse man sich verständigen. Beide Fahrer hätten hier pflichtwidrig gehandelt, der Lkw-Fahrer sei nicht aufmerksam genug gewesen und habe so den anderen Wagen übersehen. Die andere Beteiligte sei zu Unrecht von einem Vorfahrtsrecht ausgegangen. Der Schaden sei daher jeweils anteilig zu ersetzen.